Mit Kein Land für Niemand dokumentieren die Regisseure Max Ahrens und Maik Lüdemann den Rechtsruck in Deutschland. Sie lassen dabei Geflüchtete, Seenotretter:innen oder zivilgesellschaftliche und politische Akteur:innen zu Wort kommen. Seit 03.10.2025 ist der Film in deutschen Kinos zu sehen.

Wir leben heute in Zeiten, in denen es wieder normal ist, Geflüchtete, Migrant:innen oder Bürgergeldempfangende als Sündenböcke für die Misere in Deutschland, Europa und der Welt darzustellen. Offen wird über noch weitreichendere Einschränkungen gesprochen; Menschen werden Opfer von Gewalttaten. Die einstige Willkommenskultur und die Solidarität mit den schwächsten Personen in unserer Gesellschaft schwindet immer mehr.
Mit Kein Land für Niemand ist nun ein Film in die Kinos gekommen, der neben Positivbeispielen die verheerende Abschottungspolitik Europas und den Umbau des Staatsapparats in ein rechts-autoritäres Regime dokumentiert – zuletzt besonders durch den von Friedrich Merz und der CDU am 29. Januar 2025 eingebrachten und mit Stimmen der Alternative für Deutschland (AfD) angenommenen Entschließungsantrag für eine Verschärfung des Asylrechts.
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Mehr InformationenDas Leiden der Geflüchteten
Der Film zeigt eindrucksvoll, wie Menschen auf der Flucht von Grenzsoldat:innen niedergeknüppelt und Boote von der Marine mit gefährlichen Manövern bis zum Kentern abgedrängt werden. Menschen, die dadurch ums Leben kommen und in Wirklichkeit nur eine bessere Zukunft für sich und ihre Familien wollten.
Noch heute kämpfen Überlebende und Flüchtlingsorganisationen um Aufklärung und Gerechtigkeit nach dem Schiffsunglück bei Pylos vor zwei Jahren. Einen davon begleiteten Ahrens und Lüdemann in ihrem Film. Dieser spricht davon, wie es ist, heute noch mit diesem Trauma zu leben. Statt psychosoziale Betreuung bekommen Geflüchtete jedoch die volle Härte des Rechtsstaats zu spüren. Die Ungerechtigkeit, die ihnen dort widerfahren ist, wiederholt sich nun in einer anderen Form.
Der Dokumentarfilm berichtet davon, wie Christian Herrgott (CDU), seit 2024 Landrat des Landkreises Schleiz, die Arbeitspflicht für Geflüchtete eingeführt hat. Für 80 Cent sollen diese oft mehrfach traumatisierten Menschen nun einem Zwangsdienst nachgehen. Währenddessen glänzt die einstige Landrätin des Landkreises Greiz, Martina Schweinsburg (CDU), mit rassistischen Vorurteilen.
Von Merkel über Scholz zu Friedrich Merz
In Kein Land für Niemand wird nicht nur Merkel mit ihrem berühmten Satz „Wir schaffen das“ zitiert, sondern es wird auch skizziert, wie die Politik immer mehr Forderungen der AfD übernimmt und selbst einst Parteien mit überwiegend linken Positionen wie die SPD unter Kanzler Olaf Scholz sich mehr Härte wünscht.
Aber auch zivilgesellschaftliche Akteur:innen aus ländlichen Gebieten kommen dabei zu Wort. Gebiete, die in ihrer Infrastruktur so heruntergewirtschaftet wurden, dass neuer Wohlstand in den vermeintlich einfachen Lösungen von Rechtspopulist:innen gesucht wird. Ein Wohlstand auf Kosten derer, die bereits alles verloren haben und die in ihrer Suche um Schutz auf Ablehnung stoßen.
Dass es auch anders geht, zeigt der Film auf hervorragende Weise. Beinahe hautnah sind die Zuschauer:innen mit dabei, wenn Geflüchtete – darunter oft genug auch Babys – in einem Schlauchboot im Mittelmeer gerettet werden. Doch genau dafür sind diese Menschen dankbar. Dafür, dass sie leben können, ein Dach über dem Kopf haben und etwas zu essen haben wie es der Film schildert. In diesem Moment fragt sich der Zuschauende vielleicht, ob er nicht selbst Dankbarkeit verlernt hat.
Jetzt gilt es: Auf die Barrikaden!
Der Film zeigt Ausschnitte aus den Reden von Merz und der AfD aus dem Deutschen Bundestag als der unsägliche Entschließungsantrag beschlossen wurde. Doch der Gegenpol mit der Wutrede von Heidi Reichinnek (Die Linke) bleibt außen vor. Welch wunderbares Schlussstatement hätte der Ausspruch „Auf die Barrikaden“ von Reichinnek diesem Film geben können.
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Mehr InformationenDenn es hilft alles nichts: Die Zivilgesellschaft ist und bleibt das letzte Bollwerk der Demokratie und Humanität. Kein Land für Niemand macht genau dies sehr deutlich, wenn gezeigt wird, wie sich Demonstrant:innen für ein Recht auf Asyl und die Menschenwürde auch mit Gegenprotest durch Rechtsextreme einsetzen. Vielleicht braucht es also gar keine Reichinnek, sondern in einer Zeit der Faschisierung nur ein gelebtes „Nie wieder ist jetzt“ von uns allen.
Wie so oft, wird aber der Film vermutlich auch nur wieder die erreichen, die sowieso schon für eine weltoffene, solidarische und inklusive Gesellschaft einstehen. Die Menschen, die rechtspopulistische Parteien wie die AfD wählen, werden sich für das Leid der Geflüchteten an den EU-Außengrenzen nicht interessieren. Sie werden sich nicht dafür interessieren, wie Minderheiten in einer angeblichen Demokratie schon wieder Opfer werden. Zu abgestumpft sind sie schon von den dumpfen Parolen ihrer „Vorbilder“. Den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft nehmen sie schon längst nicht mehr wahr.
Doch aufgeben ist keine Option. Tun wir das, überlassen wir das Land denen, die dieses in eine totalitäre Diktatur verwandeln möchten. In ein Land, in dem alle gleichgeschaltet sind und in dem Minderheiten unterdrückt, bedroht oder vielleicht sogar getötet werden. Dann leben wir tatsächlich in einem Land für niemanden. Für niemanden außer denen, die Gewalt, Hass und Hetze als ihren Lebenssinn sehen.
Als Gesellschaft und Zuschauende müssen wir uns am Ende also selbst die Frage stellen: Sind wir ein Land für Viele – oder für Niemanden? Und dann wird der Hoffnungsschimmer am Ende des Films nicht nur Hoffnung bleiben.
Ein Meisterwerk des Jahrhunderts
Ein Meisterwerk des Jahrhunderts-
Erzählung5/5
-
Kamera4/5
-
Regie4.5/5
