Sascha Rakers

Achtsam leben. Kreativ erzählen. Verbunden wirken.

Schwarz-weiß-Porträt eines Mannes mit Brille und Hemd, der lächelnd in die Kamera blickt.

Darum ist Gendern falsch

Binnen-I, Doppelpunkt, Unterstrich oder Sternchen – wenn es um gendersensitive Sprache geht, gibt es viele Ausdrucksformen. Doch alle diese Formen berücksichtigen dabei eine Form der Geschlechtsidentität nicht: die der non-binären Personen. Menschen, die sich jenseits der Binarität verorten oder gar komplett mit dem Konzept von Geschlecht nichts anfangen können, werden nicht hinreichend abgebildet. Wir sollten also damit beginnen, unsere Sprache zu ent-gendern.

Mehrere Beine, die weiße Sneaker anhaben und dazu Socken in Regenbogenfarben.
Foto: Julian Schneiderath – Unsplash

Wie Sprache uns beeinflusst

Nicht nur Sprache allgemein ist sehr mächtig, sondern besonders die deutsche Sprache. Diese ist vor allem auch sehr genau. Meistens wird im allgemeinen Sprachgebrauch das Maskulinum verwendet: Wenn wir im Restaurant sitzen, sprechen wir vom Kellner – selbst wenn uns eine weiblich gelesene Person bedient. In der Küche steht der Koch, der uns das Essen zubereitet – obwohl wir gar nicht wissen, ob es nicht vielleicht doch eine Köchin ist. Sprache bietet dem Patriarchat den Raum, um uns alle von der männlichen Überlegenheit zu überzeugen.

Das hängt mit dem in Teilen immer noch in unseren Köpfen verankerten Weltbild zusammen, dass Männer die „Versorger“ sind. Das sind die, die arbeiten gehen und das Geld heimbringen. Frauen sollen gefälligst das Haus oder die Wohnung in Ordnung halten, sich mit ihrer Empathie um die Kindererziehung kümmern. Männerdominierte Sprache schließt hierbei jedoch nicht nur Frauen aus, sondern auch „Randgruppen“ wie Menschen, die sich mit keinem Geschlecht identifizieren oder diese Einteilung für sich selbst ablehnen.

Patriarchaische Sprache beeinflusst unser gesellschaftliches Weltbild. Warum etwa gelten Jungen und Männer, die zu ihrer Meinung stehen, als durchsetzungsstark; Mädchen und Frauen hingegen als zickig? Wägen Frauen Risiken sorgfältig ab, werden sie als bedacht bezeichnet. Männer hingegen gelten dann als ängstlich.

Die vergessene Gender Identity

Davon betroffen sind etwa Menschen auf dem Agender-Spektrum. Diese werden sowohl in dieser patriarchaischen Form der Sprache als auch in den Diskussionen um gendersensitive Kommunikation nahezu ausgeschlossen.

Ob nun LehrerInnen, Lehrer:innen oder Lehrer*innen – all diese Formen basieren auf dem üblichen Zwei-Geschlechter-Modell. Gemeint sind eben Lehrerinnen und Lehrer. Frauen und Männer. Einzig die Schreibweise Lehrer_innen impliziert mit sehr viel Mühe etwas anderes. Durch den Unterstrich nämlich signalisiert das dem Lesenden, dass hier Lehrerinnen und Lehrer, Frauen und Männer, aber auch auch andere Gruppen, für die es keine Ausdrucksweise gibt, mitgemeint sind. Quasi „the gap“. Oder die „Lücke“. Doch gedacht wird hieran vermutlich nur in den seltensten Fällen. Und wer möchte schon gerne als „Lücke“ gelten?

Schuld daran hat jedoch auch die Marketingabteilung manch eines Kaufhauses. Noch immer wird Kinderkleidung in Jungen und Mädchen unterteilt. Jungen haben blau zu tragen, Mädchen eben rosa. Auch hier macht sich ein fehlendes und wirklich inklusives Gender-Bewusstsein bemerkbar. Weil in unserer Kultur rosa für Sanftheit steht, Blau hingegen für Produktivität. Sanftheit, welche dem Weiblichen und Produktivität, welche dem Männlichen zugeschrieben wird. Unbewusst wird Sprache mit dem Produktiven, dem männlichen Geschlecht, verbunden.

Ist Ent-Gendern die Lösung?

Beim Ent-gendern wird das Neutrum verwendet. Diese Form der Sprache schließt alle Menschys ein. Denn letztendlich – philosophisch-spirituell betrachtet – sind wir alle Teil derselben Spezies. Geschlecht ist ein gesellschaftliches Konstrukt, welches uns Menschys in eine bestimmte Schublade „einsortiert“. Es ist eine Möglichkeit, in einem kapitalistischen System, Personys bestimmte Aufgaben zuzuweisen. Würden wir erkennen, dass es außer den biologischen Merkmalen keinen Unterschied zwischen einzelnen Individuen gibt, wäre dies nicht mehr möglich. Damit gäbe es auch keinen Grund mehr, vielfältige Formen der Diskriminierung von Männern, Frauen, nicht-binären, neurodivergenten oder neurotypischen Personen länger aufrechtzuerhalten.

Arbeity in allen Berufen werden für die gleiche Arbeit auch gleich bezahlt, unabhängig von äußerlichen Merkmalen. Von Männern und Frauen dominierte Berufe? Fehlanzeige! Jedy geht einer Tätigkeit nach, für die sich das Menschy bewusst aufgrund eigener Vorlieben und Neigungen entschieden hat. Die Arbeit als Dachdecky ist nicht länger männerdominiert; Care-Arbeit – ob zuhause oder in einem beruflichen Umfeld – nicht länger frauendominiert.

Vordergründig gibt es heute zwar Gesetze gegen Diskriminierung, doch die Ungleichbehandlung der üblichen zwei Geschlechter ist trotzdem noch vorhanden. Zuletzt konnten das alle in den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD erkennen, bei denen Saskia Esken als einzige (!) Frau an den Rand gedrängt wurde – auch wenn sie das im Nachgang zu den Gesprächen selbst relativierte.

Mit einer neutralen Sprache wird hierbei wieder das Menschy in den Vordergrund gerückt. Weil wir letztendlich alle gleich sind. Ob oben oder unten etwas „baumelt“, sagt doch nichts darüber aus, ob ein Bäcky gut oder schlecht ist. Es ist doch vielmehr die Leidenschaft, der Eifer, der dahintersteht. Ob das Menschy gerne tut, was es tut. Sprache ist mächtig – definitiv! Und Sprache hat die Kraft, eine gesellschaftliche Revolution in der Kommunikation auszulösen.

Die Ursprünge des Ent-Genderns

Das Ent-Gendern wurde erstmals durch das österreichische Künstly und Schriftstelly Hermes Phettberg bekannt. Phettberg nutzte diese Sprachform in der Kolumne ‚Phettbergs Predigtdienst‘ der Wiener Wochenzeitung „Falter“. Die Leser:innen sprach Phettberg dort bereits im Jahr 1992 mit Lesys an.

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Heute ist diese Schreib- und Sprechweise besonders gut geeignet, um die verschiedenen Geschlechtsidentitäten auch sprachlich optimal abzubilden. Sie ist außerdem einfach und unkompliziert anzuwenden. Ganz anders als so manche Neopronomen wie xier mit ihren unzähligen Regeln und Besonderheiten.

Statt wie bisher in der maskulinen Form ein -er bzw. in der femininen Form ein -in anzuhängen, wird ein -y an den Wortstamm angehängt. Zugleich wird der neutrale Artikel das verwendet. Aus dem Lehrer oder der Lehrerin wird das Lehry. Vielen wird bereits aufgefallen sein, dass auch der vorhergehende Abschnitt dieses Artikels genderneutral geschrieben wurden. Vielleicht ist manchen auch nicht entgangen, dass der Mensch oder die Person als Menschy bzw. Persony geschrieben wurde. Ist denn Mensch oder Person nicht schon genderneutral? Tatsächlich nicht, wenn für beide Subjekte explizit ein geschlechtsspezifischer Artikel verwendet wird.

Deshalb ergibt es durchaus Sinn aus der Mensch eben das Menschy (und nicht das Mensch) zu machen. Auch Wörter mit maskulinem oder femininem Artiky (der Artikel) werden so ent-gendert und zu einem Neutrum.

Die Methode nach Phettberg ist nicht nur eine neue (alte) Variante des Genderns. Es ist eine Möglichkeit des Ent-Genderns, das Loslösen von Sprache vom Geschlecht. Vielleicht werden die Artikel der und die in diesem Zusammenhang irgendwann überflüssig. Und aus der Computer wird so das Computy, aus die Jacke eben das Jacky. Mit Sprachy (die Sprache) beginnt alles. Auch die Rückkehr zum wahren Selbst, dem Menschy-Sein.