Merz‘ Gruselkabinett

Foto: Oxana Melis – Unsplash

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wurde von allen Parteien gebilligt. Auch die Minister des neuen Kabinetts sind gesetzt. Doch vor diesen Persönlichkeiten kann es einen nur schaudern. Dieser Artikel geht im Detail darauf ein.

Landwirtschaft: Alois Rainer

Im Bundeslandwirtschaftsministerium soll der bei Vorstellung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als „schwarzer Metzger“ bezeichnete Alois Rainer die Nachfolge des „grünen, veganen Özdemir“, wie ihn Söder nannte, antreten. Und weiter: „Jetzt gibt es wieder Leberkäs statt Tofutümelei.“ Dass ein als Ministerpräsident getarnter Food-Influencer und begeisterter Bratwurst-Anhänger anderen Ernährungsformen wenig aufgeschlossen ist, ist jedoch nicht verwunderlich. In der Rheinischen Post sagte Rainer nun bereits: „Ich bin ein großer Freund der sozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet: Fleischpreise macht nicht der Minister, sondern der Markt“ – und kündigt damit indirekt schon fallende Preise für Fleisch an. Auch in Kindergärten sollen zukünftig wieder mehr Fleischgerichte angeboten werden.

Dabei wird in der Neubewertung der Position der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) zu veganer Ernährung genau das Gegenteil kommuniziert:

Unter Berücksichtigung sowohl gesundheits- als auch umweltrelevanter Aspekte ist eine Ernährungsweise mit einer deutlichen Reduktion tierischer Lebensmittel zu empfehlen.

DGE; Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/legalcode.de

Zudem ist Rainer der Bruder der bis 2017 dem Bundestag angehörenden Gerda Hasselfeldt. Die Frau, die sich für eine Vorratsdatenspeicherung ausspricht, kurz nach Einführung des Mindestlohns von einer dahingehenden „bürokratischen Belastung“ sprach oder gegen eine Frauenquote ist.

Staatsminister für Kultur und Medien: Wolfram Weimer

Mit dem Verleger und Publizisten, der zumindest äußerlich ein bisschen Ähnlichkeit mit Bill Gates aufweist, holt sich Friedrich Merz nicht nur eine konservative, sondern vor allem eine umstrittene und mit rechten Parolen um sich schmeißende Persönlichkeit ins Kabinett. So sprach er unter anderem von einer „Masseninvasion“ in Bezug auf die Grenzöffnung für ankommende Geflüchtete im Jahr 2015 und benutzt dabei den rechtsextremen Kampfbegriff der illegalen Migration, bezeichnete den Rundfunkbeitrag als „Zwangsgebühren“ und ist der Klimaleugner-Szene aufgeschlossen gegenüber. So erscheinen in seinem Magazin The European Artikel der organisierten Klimaleugnerszene wie etwa dem Europäischen Institut für Klima und Energie (EIKE), welche auch Verbindungen zur Alternative für Deutschland (AfD) hält.

Weimer spricht unverhohlen von der „Multi-Kulti-Lüge“, von „Kanak-Deutsch“, Millionen arbeitsloser Muslime, die in Parallelwelten leben und Hasspredigern in Moscheen. Sprache, die sich auch Rechtspopulisten und Rechtsextremen bedienen. Vielleicht ist die Nominierung von Weimer ins Kabinett die Antwort auf die kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion an die vergangene Bundesregierung zur Finanzierung der NGO’s. Jedenfalls macht Merz mit seiner im Wahlkampf getätigten Aussage ernst:

Links ist vorbei! Es gibt keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland. Es ist vorbei! Es geht nicht mehr! Und jetzt werden wir, liebe Freundinnen und Freunde, wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, für die Mehrheit der Menschen in diesem Lande machen, für die Mehrheit, die gerade denken und die auch noch alle Tassen im Schrank haben. Für die werden wir jetzt wieder Politik machen. Im Mittelstand, in der Landwirtschaft – die können sich darauf verlassen, dass wir an ihrer Seite stehen und wieder Politik für Deutschland machen, meine Damen und Herren. Und nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt. Die sollen da draußen rumlaufen, aber sie haben in der Mehrheit dieser Bevölkerung gar nichts zu tun. […] Das ist die Wahrheit in Deutschland!

Friedrich Merz in seiner Rede zum Wahlkampfabschluss 2025 in München, Quelle: https://www.youtube.com/live/S9GVltbO1-o?feature=shared

Unter der kleinen Großen Koalition, die nach aktuellen Wahlumfragen schon vor Antritt keine Mehrheit in der Bevölkerung mehr genießt, wird es mit Weimer einen massiven Staatsumbau im Bereich von Kultur und Medien hin zu konservativ-rechten Inhalten geben.

Forschung und Raumfahrt: Dorothee Bär

Das Kabinett im Bereich Forschung soll Dorothee Bär (CSU) verstärken. Ein Bereich, in dem Aufgeschlossenheit eine Kernkompetenz sein sollte. Das impliziert aber auch eine offene Haltung zu Queerness und einer anderen Geschlechtsidentität; einer Offenheit gegenüber Studiengängen und Forschungsprojekten, die sich genau damit beschäftigen. All das kann man von der zukünftigen Ministerin Bär wohl nicht erwarten: Im November 2023 kritisierte sie das geplante Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) und die Meinung der Expertenkommission zur Abschaffung des § 218 des Strafgesetzbuches (StGB) zu Schwangerschaftsabbrüchen. Im Mai 2023 reiste sie zudem zum republikanischen Gouverneur Ron DeSantis nach Florida, der sich gegen LGBTQIA+-Rechte und Abtreibung ausspricht.

Als Mitglied im Beirat der Rhön-Klinikum AG ist sie mit an der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens beteiligt. Solchen Unternehmen in Privathand geht es nicht um das Wohlergehen der Menschen, sondern allein um ihren eigenen Profit. Darum, dass auch der nächste Bonus gesichert ist. Bereits 2013 fiel die Rhön-Klinikum AG im systematischen Mobbing und der Ausbeutung von Putzkräften auf.

Bildung und Familie: Karin Prien

Mit Prien holt sich Friedrich Merz die nächste Person ins Kabinett, welche wohl wenig von Toleranz gegenüber anderen Meinungen hält. Erst im Februar 2025 postete sie auf der Plattform X: „Wir machen Schluss mit dem woken Kram.“ Bereits 2021 erlies sie als noch amtierende Bildungsministerin von Schleswig-Holstein einen Erlass, der das Bildungsministerium anwies, dass Gender-Stern oder -Unterstrich kein Bestandteil der deutschen Rechtschreibung sind. Mit solch einem Erlass wird eine sowieso schon marginalisierte Gruppe noch weiter an den Rand gedrängt.

Inwieweit mit Prien im Kabinett die Forderung im Koalitionsvertrag queeres Leben vor Diskriminierung zu schützen, umgesetzt werden kann, bleibt fraglich. Gegen Diskriminierung von queeren Menschen zu sein, bedeutet eben auch, gendersensitive Sprache zu nutzen, die alle inkludiert. Mit Sicherheit wird es eine Änderung des SBGG geben – besonders im Hinblick auf Kinder und Jugendliche, den wirksamen Schutz von Frauen und der besseren Nachverfolgbarkeit bei Namensänderungen. Eine Besserung der Lage der LGBTQIA+-Community wird hieraus garantiert nicht hervorgehen.

Digitalisierung und Staatsmodernisierung: Karsten Wildberger

Wildberger als dann ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG und Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding zieht ins Kabinett von Friedrich Merz als lupenreiner Lobbyist ein. Er ist ehrenamtlicher stellvertretender Vorsitzender der Lobbyorganisation Wirtschaftsrat der CDU.

So fiel auch der Wirtschaftsrat der CDU mit Kontakten zu EIKE, die den menschengemachten Klimawandel leugnen, auf. Außerdem sprach sich der Rat gegen ein Verbot von Werkverträgen in der Fleischindustrie aus und bezeichnet Bürgergeldeinführung, Bürgergelderhöhrung und Einführung der Kindergrundsicherung als Ursache der finanziellen Probleme in Deutschland. Zudem fordert der Rat die Einführung von gemeinnütziger Arbeit für Bürgergeldempfänger:innen, um die Arbeitswilligkeit dieser zu überprüfen.

Wirtschaft und Energie: Katharine Reiche

Reiche, eine weitere in ihren Aussagen fragwürdige Persönlichkeit, soll das zukünftig CDU-geführte Wirtschafts- und Energieministerium übernehmen. Diese bezeichnete militante Gentechnikgegner als „Bioterroristen“. Mit Sicherheit ein Grund für ihre Forderung nach einer Änderung des Gentechnikgesetzes, wonach Anbauflächen nicht mehr bekanntgegeben werden und Bäuerinnen und Bauern nicht mehr für Schäden haften sollen. Als zukünftige Wirtschaftsministerin hat sie nun ja die Möglichkeit genau diese Forderung praktisch umzusetzen. Greenpeace, die auch in dem Fragenkatalog von Friedrich Merz erschienen, warnt jedoch davor, dass Genpflanzen die menschliche Gesundheit gefährden könnten und die Biodiversität zerstören. Saatgutherstellern komme es nur auf ihren Profit an.

Außerdem unterstützte Katharine Reiche die Klage von Bayern, Sachsen und Thüringen gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz. Das sei ein „Angriff auf Ehe und Familie“, sagte sie gegenüber dem SPIEGEL. Eine Frau, deren Nominierung in das Wahlkampfteam von Edmund Stoiber im Jahr 2002 von Konservativen und der katholischen Kirche gerügt wurde, weil sie unverheiratet ihr zweites Kind erwartete, sprach damit anderen Menschen ihren Lebensentwurf ab.

Kanzleramtsminister: Thorsten Frei

Eine zentrale Position im Kabinett soll der enge Vertraute von Friedrich Merz und nach rechts blinkende Thorsten Frei bekommen. Frei steht für eine unmenschliche Migrations- und Asylpolitik, was er bereits 2023 deutlich machte. Demnach forderte er, das individuelle Recht auf Asyl abzuschaffen und durch eine Kontingentlösung zu ersetzen. Für queere Lebensentwürfe scheint auch dieser zukünftige Minister nicht offen zu sein: Im Juli 2024 lehnte er eine Änderung des Artikel 3 des Grundgesetzes ab, wonach auch die sexuelle Identität der unter Verbot stehenden Diskriminierung aufgenommen werden sollte. Seiner Meinung nach sei dies bereits so enthalten.

Innere Sicherheit: Alexander Dobrindt

Mit dieser Personalie, der mit der Einführung einer PKW-Maut kläglich gescheitert ist, im Kabinett von Merz kann einem wirklich Angst und Bange werden. Mit diesem deutlich rechts blinkenden Hardliner droht der Umbau des Staatsapparats in einen Polizei- und Überwachungsstaat. So lobte er etwa Donald Trump zu Beginn seiner zweiten Amtszeit, dass er mit Dekreten jetzt schnell Veränderungen in den USA herbeiführe. Einen Mann auf den Posten des Bundesinnenministers zu setzen, der „durchregieren“ als positiv ansieht, ist äußerst fragwürdig und erinnert an dunkelste Zeiten in der Geschichte Deutschlands. 1933 übertrug der Deutsche Reichstag mit dem Ermächtigungsgesetz („Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“) die Macht vollständig an die Reichsregierung unter Adolf Hitler. So konnte dieser nun ohne parlamentarische Kontrolle Gesetze verabschieden.

Auch Dobrindt stellte sich gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, bezeichnete die Grünen als „politischen Arm von Steinewerfern“ oder ist Urheber des Unwort des Jahres 2018. Mit dem Wort „Anti-Abschiebe-Industrie“ diskreditierte Alexander Dobrindt Menschen, die Asylbewerber, deren Anträge abgelehnt wurden, und diesen nun rechtlich beistehen.

Noch bedeutungsvoller ist der Ausspruch einer konservativen Revolution von ihm. Dieser Begriff gilt ebenfalls als rechtsextremistischer Kampfbegriff und geht zurück auf die Weimarer Republik. Unter diesem Sammelbegriff wurden Strömungen des Deutschen Reiches zusammengefasst, die dem deutschen Faschismus zuzuordnen waren – anti-liberal, anti-demokratisch, anti-egalitär und ultra-nationalistisch. Die Bewegung gilt als Vorbereiter für den Nationalsozialismus. Bis heute hat er sich von diesem Begriff jedoch nicht distanziert und sieht die Reaktion von „linken Mainstreameliten“ ausgehend.

Weitere Persönlichkeiten im neuen Kabinett

  • Johann Wadephul, designierter Bundesaußenminister, möchte, wie der SPIEGEL berichtet, der AfD Vorsitze in Ausschüssen zugestehen und damit zur Normalisierung einer inzwischen als gesichert rechtsextremen Partei verhelfen – so wie dies Jens Spahn bereits forderte.
  • Nina Warken, designierte Bundesgesundheitsministerin, sprach sich im Januar 2024 gegen ein AfD-Verbot aus. In diesem Monat wurde auch das Geheimtreffen von AfD-Politikern und anderen zwielichtigen Gestalten bekannt, wonach Millionen von Menschen aus Deutschland vertrieben werden sollten. Wie man unter solchen Umständen noch gegen ein entsprechendes Verbot sein kann, ist unverständlich.
  • Patrick Schnieder, designierter Bundesverkehrsminister, scheint ein absolut unbeschriebenes Blatt zu sein. Wie er seiner Rolle gerecht wird, das Sondervermögen für Infrastruktur über 500 Millionen Euro sinnvoll einzusetzen und die Verkehrswende voranzutreiben, bleibt abzuwarten.
  • Auch was die künftige Ministerin für Sport und Ehrenamt, Christiane Schenderlein, bringen wird, ist noch unbekannt. Im Landtagswahlkampf 2019 setzte sie sich jedenfalls für attraktive Familienangebote, eine bessere Infrastruktur und eine gute ärztliche Versorgung im ländlichen Raum ein.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen