Deutschland rückt nach rechts

Sitzungssaal des Bundestags in Deutschland von oben durch eine Glaskuppel betrachtet

Foto: Claudio Schwarz – Unsplash

Der heutige Mittwoch, der 29. Januar 2025, wird in die Geschichtsbücher als der Tag eingehen, an dem nicht nur die Brandmauer gegenüber der „Alternative für Deutschland“ auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion und Friedrich Merz eingerissen wurde. Es wird auch der Tag sein, an dem die Menschlichkeit in diesem Land verloren gegangen ist und Deutschland weiter nach rechts rückt.

Merz: „Das Maß ist endgültig voll“

Nach dem schrecklichen Messermord in Aschaffenburg, bei dem nicht nur ein Kind starb, sondern auch ein zunächst unbeteiligter Passant, der Zivilcourage zeigen wollte, ging Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union, schon einen Tag nach dem Attentat sofort „All-In“. Bereits zu diesem Zeitpunkt legte er einen 5-Punkte-Plan für eine grundlegende Änderung der bisherigen Asyl- und Migrationspolitik vor.

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Der Entschließungsantrag (Drs. 20/14698) hätte in seiner Gesamtheit genauso gut von Politiker:innen der Alternative für Deutschland formuliert werden können. Dieser Antrag wurde nun im Deutschen Bundestag mit 348 Ja-Stimmen, 344 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen angenommen.

Abkehr von der Humanität

In Artikel 1 des Grundgesetzes heißt es ganz klar: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Grundlage dafür sind, wie Absatz 2 dieses Artikels klar benennt, die „unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte“.

In diesen Menschenrechten ist in Artikel 14 das Recht auf Asyl festgeschrieben. Jeder Mensch kann demnach in einem Staat um Asyl ersuchen. Nirgendwo ist festgeschrieben, dass dieses Recht an der deutschen oder irgendeiner anderen Grenze Halt macht. Wenn Geflüchtete an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden können, widerspricht dies den Menschenrechten. Und die Bundesrepublik Deutschland wird damit zu einem Unrechtsstaat und lässt jedes Mitgefühl mit diesen Menschen vermissen.

Auch wenn das Dublin-Abkommen vorsieht, dass Geflüchtete in dem EU-Mitgliedsstaat Asyl ersuchen müssen, in welchem sie als erstes einreisen, ist Deutschland dennoch in der Pflicht, diese Menschen bei Bedarf aufzunehmen, die Fluchtroute zu rekonstruieren und die Neuankömmlinge ggf. in die vordergründig zuständigen Länder zurückzuschicken. Diese Staaten sind aber mit der Bewältigung des großen Flüchtlingsstroms schon seit Jahren massiv überfordert.

Abweisung an der deutschen Grenze

Ein „faktisches Einreiseverbot für Personen, die keine gültigen Einreisedokumente besitzen und die nicht unter die europäische Freizügigkeit fallen“, wie es im Antrag heißt, bedeutet nun auch einen Alleingang der Bundesrepublik Deutschland in der Asylpolitik und damit den Bruch mit der europäischen Solidarität. Geflüchtete, die über den Seeweg nach Europa kommen, landen meist in Italien und Griechenland. Diese Länder werden mit einer Politik, die rein nationale Interessen berücksichtigt, allein gelassen.

Länder wie Österreich, bald unter einer FPÖ-geführten Regierung mit einem Kanzler Herbert Kickl, können die Aufnahme dieser Menschen verweigern. Dann müssten diese etwa nach Italien zurückgebracht werden – einem Land, das von der rechtspopulistischen Regierungschefin Meloni geführt wird. Und wenn Italien sich der Aufnahme flüchtender Menschen verweigert – was dann? Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 verbietet es, Geflüchtete in ihren Herkunftsstaat, in dem sie von Terror oder politischer Verfolgung bedroht sind, zurückzuschicken. Heimatlose werden so in ihrer Heimatlosigkeit verzweifelt zurückgelassen.

Eine knappe Mehrheit für Deutschlands Rechtsruck

Da ein Entschließungsantrag rechtlich nicht bindend ist und damit erstmal keine Konsequenzen hat, reicht die einfache Mehrheit aus, damit dieser als angenommen gilt. Das gelang nur mit einer hauchdünnen Mehrheit von vier Stimmen. Die FDP, welche für den Antrag stimmte, oder das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), welches sich enthalten hat, hätten den Unterschied machen können. Hätten sich mit SPD, Grünen und der Linken in der demokratischen Mitte und nicht zuletzt als menschlich positionieren können und der Antrag wäre (zumindest erstmal) vom Tisch. Und dann wäre es darum gegangen, konstruktive Lösungen unter Ausschluss der Alternative für Deutschland zu finden.

Es lässt aber insgesamt erahnen, wohin die Reise mit dem wahrscheinlich neuen Bundeskanzler Friedrich Merz geht: Eine von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus geprägte Politik, die mit billigem Populismus Stimmung gegen alle Migrant:innen macht; eine Aufkündigung der solidarischen Wertegemeinschaft innerhalb der EU. Und als nächstes wird dann gegen Bürgergeld-Empfänger:innen gehetzt und Gelder zusammengestrichen. Der soziale Frieden und der Zusammenhalt in Deutschland sind massiv gefährdet – Verlierer sind dabei die, die sowieso schon immer stigmatisiert werden: Migrant:innen, Alleinerziehende, ärmere Menschen, psychisch erkankte Personen, Frauen, queere Menschen.

Fluchtursachen bekämpfen

Statt nach immer neuen Möglichkeiten zu suchen, schutzbedürftige Menschen zu gängeln, ist es zudem dringend notwendig, Fluchtursachen zu bekämpfen. Kriege, Hungersnöte, Terrorregimes in anderen Staaten „produzieren“ nahezu am laufenden Band Geflüchtete. Das imperialistische Anspruchsdenken einiger Länder, darunter Russland und vermutlich demnächst auch bald die USA, muss aufhören.

Entwicklungshilfe muss den Menschen in den betroffenen Ländern zugutekommen und darf nicht bei machtbesessenen Despoten landen, die das Geld nutzen, um ihre eigene Bevölkerung zu terrorisieren. Und dieses Geld muss für die gezielte Verbesserung der Lebensbedingungen dieser Personen genutzt werden. Auch praktische Hilfen wie beim Ausbau der Infrastruktur und von Schulen oder der Ausbildung von Lehrpersonal in den ärmeren Ländern ist dringend geboten.

Außerdem braucht es eine Klimapolitik, die auf nachhaltige Energie setzt. Machen wir weiter so wie bisher, dann werden an die europäischen und deutschen Türen schon bald die ersten Klimaflüchtlinge klopfen. Was passiert mit diesen Menschen? Sind diese von der Genfer Flüchtlingskonvention bereits erfasst? Oder können diese vielmehr in ihre Länder zurückgeschickt werden, weil sie weder Verfolgung noch einem Terrorregime ausgesetzt sind? Weil diese Geflüchteten „nur“ dem Klimawandel zum Opfer gefallen sind? Weil die Regierungsverantwortlichen der Industriestaaten meinen, die Erde gehöre ihnen allein?

Und vor allem: Warum geben wir immer noch Unsummen für Kriegsbeteiligungen, Militäreinsätze sowie Waffen und Kriegsgeräte aus? Wieviel sinnvoller könnte dieses Geld denen zugute kommen, die am wenigsten haben. Sowohl im Inland als auch in Entwicklungsländern.

Zeit für Menschlichkeit

Menschlichkeit kann nur gelingen, wenn Menschen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Nationalität ist ein Konstrukt, das wir uns als Menschheit einst ausgedacht haben, um uns selbst besser kategorisieren zu können. Doch es bleibt letztendlich nichts davon übrig. Ein Neugeborenes kennt dieses Konzept noch gar nicht. Es ist einfach Mensch. Wir müssen wieder zu diesen Babys werden und uns gegenseitig Hilfe und Unterstützung sein, uns umarmen – egal ob Asylsuchende:r oder einheimische:r Bürger:in.

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